Unterwegs in den Nordosten

Es gehört zum uralten Wissen der Menschheit, dass man so frühstücken soll, als ob es kein Morgen gäbe. Esse im Unterschied dazu am Abend so, als ob du den nächsten Morgen noch erleben wolltest. An den ersten Teil dieser Lebensregel haben wir uns konsequent gehalten. Und das geht besonders in Lomas del Volcan sehr gut, denn das Frühstücksbuffet ist opulent und vielfältig.

Leider ist gestern eine Horde Amerikaner eingefallen, die uns besonders beim Frühstück alle Klischeevorstellungen bestätigen: laut, hektisch, Besitz ergreifend. So klappern zum Beispiel die Deckel auf den Warmhalteboxen jedes Mal heftig, wenn einer von ihnen mit kritischer Miene prüft, was man ihnen denn da auftischt. Bisher habe ich das Essen in Costa Rica für „amerikanisch“ gehalten, jetzt entsteht der Eindruck, als ob es nicht amerikanisch genug sei. Doch halt, werde ich meine bestens gepflegten Urteile differenzieren oder gar revidieren müssen? Eine junge Frau lässt den Deckel laut klappernd aufgehen. Und sie reagiert so, als ob es ihr peinlich sei. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie nur zufällig in der Reihe der Amerikaner aufgetaucht ist und eigentlich ganz woanders herkommt.

Nun, die Zeit für weiteres Philosophieren über Amerikaner ist knapp bemessen, denn heute geht es weiter an einen Ort, wo wir bestimmt keine treffen. Frank bereitet uns mit den Worten „Das ist die einfachste Unterkunft bei dieser Reise“ vor. Dass die Laguna del Lagarto Lodge trotzdem in jedem Reiseführer verzeichnet ist, deutet aber darauf hin, dass sie den Gästen etwas zu bieten hat. Dafür nimmt man sogar in Kauf, von Pital, dem letzten Stützpunkt der Zivilisation über eine besonders anspruchsvolle Schotterpiste zwei Stunden für 36 Kilometer zu benötigen.

Wir kommen bei der Fahrt in Richtung nicaraguanischer Grenze an vielen kleinen Siedlungen vorbei und erkennen an der Architektur, dass in dieser Gegend nicht die Oberschicht Costa Ricas lebt. Und während noch der Gedanke reift, dass hier die sechs Prozent der Bevölkerung leben, die als wirklich arm gelten und an denen das gesellschaftliche Leben völlig vorbei geht, kommen wir an einer Schule vorbei, die nur einmal in der Woche besucht wird, weil der Rest des Unterrichts per Internet zu Hause durchgeführt wird. Die Transportzeiten wären andernfalls zu lang.

Die Natur um uns wird immer üppiger, ehe der Bus plötzlich anhält. Direkt neben der Straße sitzt ein Tukan auf einem Baum und überlegt offenkundig, wie er an die über ihm hängenden Früchte herankommt. Es handelt sich um dicke und süße Papayas, auf die er es abgesehen hat. Nach ein paar Versuchen erreicht er die richtige Stelle, um die Frucht mit seinem langen und wunderschön gemusterten Schnabel auszuhöhlen. Muss man in Mitteleuropa erst den richtigen Tierpark finden, um solche Tiere sehen zu können, sitzen sie hier einfach am Wegesrand. Der erste Tukan soll nicht der letzte gewesen sein.

Ein weiterer Stopp ergibt sich an einer Ananasplantage, wo uns Frank die Produktion dieser Bromelienfrucht erklärt, die zu den Hauptexportschlagern Costa Ricas zählt. Costa Rica ist heute weltweit der größte Exporteur der Ananas. Ich bin wohl nicht der einzige, den es überrascht, dass Ananas nicht an Bäumen, sondern sehr niedrigen Stauden wächst, die um uns herum angepflanzt werden, soweit das Auge reicht. Die Früchte liegen zwischen den Blättern der Staude obenauf und scheinen schon kurz vor der Ernte zu stehen. Die Früchte, die für den Export bestimmt sind, erkennt man daran, dass sie ihre Blattrosette noch behalten. Einen Im- und Exportunterschied gibt es auch bei Bananen, denn letztere werden schon an der Staude in blaue Folie eingepackt. Wer im Supermarkt Bananen kauft, sollte sie übrigens möglichst schnell vertilgen, denn sie vermatschen in kürzester Zeit.


Im Reich der Ananas

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an Costa Rica

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