Der Arenal-See

Nach dem Frühstück verlassen wir die Hacienda Guachipelin bei sommerlich warmem Wetter, nur der Gipfel des Rincón hat sich weiterhin in Wolken verpackt. Schon nach wenigen Metern kehren wir um. Manuel hat seinen Kleiderbeutel vergessen, den er gestern bei der Wäscherei abgegeben hat. Doch das ist nicht weiter schlimm. Es dauert ohnehin auf der Schotterstraße eine Stunde, bis wir in Liberia wieder die transamerikanische Autobahn erreicht haben. Wir fahren den gleichen Weg zurück, den wir vorgestern gekommen sind, biegen aber nach etwa einer weiteren Stunde links ab ins Gebirge.

Unterwegs gibt es eine Unterrichtsstunde in costaricanischer Wirtschaft. Frank setzt eine Tasse Kaffee aus für denjenigen von uns, der ihm das Hauptexportgut des Landes nennen könne. Natürlich ist er sich sicher, dass niemand darauf kommen wird und tatsächlich fällt uns außer Kaffee, Ananas und Bananen in der einen oder anderen Rangfolge wenig ein. Tatsächlich liegt an der Spitze der Umsätze der Export von Computerchips, die Intel in der Nähe von San José produzieren lässt. Danach folgt medizinisches Besteck vor Kaffee, Ananas und Bananen. Die ausgesetzte Tasse Kaffee würde Frank bei nächster Gelegenheit selbst trinken.

Wir kommen bald an einem Windpark vorbei und erfahren, warum seit einiger Zeit in Costa Rica zwei Staatsbürgerschaften möglich sind – und was das mit Windrädern zu tun hat. In den 60er Jahren zog der Costa Ricaner Franklin Chang-Diaz in die weite Welt, um Astronaut zu werden. Er studierte Maschinenbau in den USA und wollte in den Weltraum fliegen, was ihm aber verwehrt blieb, weil er kein Amerikaner war – zumindest nicht nach den Maßstäben der vereinigten Nordamerikaner. Also heiratete er eine „richtige“ Amerikanerin, wurde Astronaut und hält heute zusammen mit Jerry Ross den Weltrekord für die meisten, nämlich sieben Aufenthalte im All. Im Jahr 2005 gründete er eine Firma, die für die NASA Plasmaraketenantriebe baut. Nun waren aber die Costa Ricaner so stolz auf ihren ehemaligen Landsmann, dass sie das Verbot doppelter Staatsangehörigkeit kurzerhand aufhoben und ihn zum Ehrenbürger ernannten. Aus alter Verbundenheit zu seinem Heimatland beschaffte er jede Menge ausgedienter NASA-Bauteile, aus denen rund 100 Windräder konstruiert wurden, an denen wir nun vorbei fahren.

Zur Abrundung der Regenerative-Energien-Fahrt an diesem Tag erreichen wir nach wenigen Kurven den Arenal-See, der dank seines Wasserkraftwerks mit 60 Prozent der Gesamtproduktion erheblich zur nachhaltigen Stromversorgung des Landes beiträgt. Nur vier Prozent des Stroms werden landesweit mit Diesel hergestellt.

Der Arenal-See wurde 1970 gebaut. Zwei Jahre zuvor war der Arenal erstmals in geschichtlicher Zeit ausgebrochen und hatte die Bewohner der Gegend damit überrascht, dass er überhaupt ein Vulkan war. Die Schäden, die der Ausbruch im Dorf Arenal anrichtete, waren so groß, dass die Bewohner das Dorf aufgaben und in geschütztere Lagen zogen. Heute bedeckt der See die Reste des Dorfes. Wir umrunden in unserem Bus einen Teil des Sees, um in Nuevo Arenal in einer „German Bakery“ Pause zu machen. Sie wurde von einem Allgäuer gegründet, der mir eher wie ein Extrembergsteiger vorkommt. Wenn er mal dreißig Jahre älter ist, wird er mir wahrscheinlich als Wurzelsepp erscheinen. Alle deutschen Touristen in Costa Rica kommen hier vorbei, um in deutscher Sprache bedient zu werden. Die Warenauslage lässt tatsächlich Heimaterinnerungen aufkommen. Es gibt sogar richtiges Brot. Wer lieber warm isst, kriegt Sauerbraten, Bratwurst, Sauerkraut, Kohlrabisuppe und manches andere, was das kulinarische Bild der Deutschen in der übrigen Welt definiert. Gleich neben der Bäckerei wurde von Wurzelsepps Freundin noch ein Geschenkeladen eröffnet, allerdings ist es jetzt noch zu früh im Urlaub, um bereits Souvenirs mit sich herumzuschleppen.

Frank hat ein Einsehen mit uns und lädt ab der Staumauer des Arenal-Sees zur Wanderung ein, damit wir unsere im Bus verschachtelten Beine wieder etwas bewegen können. Wir müssen bei der vierkilometrigen Wanderung zwar auf die Klimaanlage verzichten, aber dafür sehen wir wieder einiges an Tieren, ehe uns Manuel an der nächsten Straßenkreuzung wieder abholt, um uns bis zur nächsten Unterkunft zu kutschieren. Auf dem Weg begegnen uns Affen, Tukane, Schmetterlinge, knallbunte Vögel, es sind truthahnähnliche Guane. Die allgegenwärtigen Geier kreisen mal wieder über uns. Die Wildschweine, die Frank uns versprochen hat, sehen wir aber nicht.

Seit der Arenal ab 1968 interessant geworden ist, sind massenweise Hotels aus dem Boden gestampft worden, um aus dem wachsenden Interesse fremdländischer Gäste Nutzen ziehen zu können. Immerhin gilt der Arenal als aktivster Vulkan Costa Ricas, was unserer leibhaftigen Erfahrung allerdings tief verborgen bleibt.

Unsere Unterkunft auf der Ostflanke des Arenal, Lomas del Volcan, ist sehr beeindruckend. Alles wirkt sehr neu, die Anlage ist bestens gepflegt. Jedes Zimmer ist eine eigenständige Hütte. Man hat einen kleinen Balkon an der Eingangstür und einen größeren hinter dem Wohnraum. Von dort kann man sehr gut den Vulkan beobachten, wenn man ihn denn beobachten kann. Der Blick in die Ebene ist grandios und bereits wenige Minuten nach dem Einzug in unsere Behausung gibt es einen kräftigen Platzregen mit doppeltem Regenbogen. Wie bestellt. Swimming Pool und Jacuzzy müssen allerdings dadurch ausfallen, denn wer will bei Regen schon ins Wasser?

Am nächsten Morgen muss ich beim Blick auf den Fußboden an eine wohlmeinende Costa-Rica-Reisende denken, die den Hinweis „An die Leguane im Hotelzimmer musst du dich gewöhnen“ parat hatte. Nun entdecke ich tatsächlich in der vierten Unterkunft unserer Reise den ersten – und letzten. Und stelle fest, dass die nur fünf Zentimeter lang sind. Was man sich nicht alles vorher ausgemalt hat …


Der Arenal: Bis 1968 ein normaler Berg

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