Finale Rutschpartie

Beim Abholen der Koffer gibt es dann in der verbliebenen Gruppe (Joachim und Ulrike haben wir schon in San José verabschiedet, Daniela, Catrin, Heike und Marion in Madrid) plötzliche Fluchtbewegungen. Gudrun wittert eine Chance, ihren nächsten Zug ins Schwabenland noch zu erreichen, Monika und Brigitte müssen in die gleiche Richtung und auch die anderen brechen recht formlos auf. Immerhin hat es ja ein paar Stunden zuvor in Madrid noch für ein gemeinsames und fast vollzähliges Gruppenfoto gereicht.

Thomas, Erika und ich sind die letzten, die das Terminal verlassen, denn wir sind mit dem eigenen Auto da und zeitlich unabhängig. Das sollte sich aber recht schnell als die beschwerlichste aller Varianten erweisen. Der Shuttle-Transport zum Parkhaus klappt recht schnell, auch wenn die Späße und Verzögerungen des Fahrers vor dem Einladen des Gepäcks bei dem einen oder anderen aus wärmeren Gefilden Heimgekehrten angesichts der Frankfurter Wetterverhältnisse frostige Reaktionen auslösen. Erstaunlicherweise kommen wir unfallfrei zum Parkhaus, obwohl der Fahrer seinen Kleintransporter auf der matschigen Neuschneeunterlage überaus beherzt, um nicht zu sagen leichtsinnig, um die Kurven treibt.

Das Bezahlen der Parkgebühr geht ganz flott, aber danach nimmt der zwanzigtägige Tropenaufenthalt eine Wendung, die wir uns so nicht vorgestellt haben. Der Fernbedienungstüröffner zeigt keine Wirkung, ich muss das Auto nach alter Väter Sitte mit dem Schlüssel (der Schlüssel hat einen Bart, genau wie die Leute, die noch so ein Auto fahren) öffnen. Da aber die Zentralverriegelung streikt, kann ich die Heckklappe nicht öffnen und das Gepäck muss zunächst im Freien bleiben. Immerhin bin ich froh, die paar Euro Aufpreis für einen überdachten Stellplatz investiert zu haben. Er ist zwar lausig kalt, aber trocken. Ein erster Versuch, die Wagenelektronik in Betrieb zu nehmen, endet so, wie ich schon befürchtet habe. Die Kiste ist tot. Offenbar habe ich vor der Abfahrt die Innenbeleuchtung angelassen, als ich nach der Ankunft in Frankfurt die letzten Utensilien zusammengesucht habe. Und so etwas macht keine Autobatterie der Welt mit. Noch nicht mal in einem Auto mit Elektromotor, wie ich betrübt feststellen muss.

Wir lassen den Parkhauswächter an unserem Schicksal teilhaben und der organisiert ein Batterieladegerät, was aber eine weitere halbe Stunde dauern sollte. In der Zwischenzeit unterhalten sich Erika und ich im warmen Aufenthaltsraum des Parkhauses mit einem Pärchen vom Bodensee, das gleich neben uns geparkt hat und gerade auf dem Weg nach – man lese und staune – Costa Rica ist. Wir können die Vorfreude der beiden steigern, indem wir ihnen begeistert einige unserer persönlichen Highlights schildern. Wir erwähnen nicht, dass es in Costa Rica gelegentlich regnet. Dass wir den Neuankömmlingen so farbenfrohe Erlebnisse in Aussicht stellen, scheint wiederum den Parkplatzwärter zu stören, der Wasser in den Wein gießt, indem er darauf hinweist, dass die beiden heute wohl nirgendwo hinfliegen würden. Leider muss ich seine Einschätzung mit einem Blick nach draußen teilen. Der Flughafen würde nicht mehr lange offen bleiben können.

Das Ladegerät kommt und wir versuchen, die Batterie in meinem Auto zu finden. Merke: In seinem Toyota braucht sich ein Autofahrer nicht auszukennen, die haben keine Pannen – es sei denn, sie lösen sie dusseligerweise selbst aus. Das Handbuch gibt Hinweise, die der freundliche Helfer des Parkhauses nicht glauben will, nachdem er an dem Platz, wo das Handbuch die Batterie vermutet, nur Sicherungen findet. Und das auch erst, nachdem wir mühsam den Deckel abgebrochen haben, der sich lange weigert, von selbst abzugehen. Als nächstes hält die globige Klammer des Überbrückungskabels nicht an der üblichen Kontaktstelle und es muss erst gefummelt werden, bevor ein Startversuch unternehmen werden kann. Nach einigem Hin und Her klappt der Motorstart zu unserer großen Erleichterung dann aber doch und wir können endlich losfahren.

Was uns außerhalb der Überdachung des Parkhauses erwartet, ist inzwischen keine Überraschung mehr, denn bei dem frischen Schnee, der in den letzten Stunden gefallen ist und noch immer fällt, ist noch kein Meter Straße geräumt oder gestreut. Ich muss an Frank denken, der seinen Landsleuten nur schwer klarmachen kann, wie Menschen in der Kälte der nördlichen Breiten überhaupt leben können. Nun, mit einem warmen Raum um sich herum kann man durchaus leben, aber fahren ist deutlich schwieriger. Auf der Autobahn sind nur schmale Fahrspuren erkennbar, wir fahren meist so um die fünfzig Stundenkilometer und können schon erahnen, dass wir bis in die Heimat mindestens drei statt der üblichen anderthalb Stunden brauchen würden, wenn sich in der Zwischenzeit nichts tat.

Unterwegs sehen wir viele LKWs, die an Steigungen nicht mehr weitergekommen sind und einfach auf etwas, das der Standstreifen sein könnte, geparkt haben. Ein Rastplatz unterwegs ist völlig zugeparkt und Zu- und Ausfahrt davor und dahinter gleich mit. Zum Glück sind alle, die es nicht unbedingt nötig haben, mit ihren Autos zu Hause geblieben und es herrscht viel weniger Verkehr als sonst an einem Mittwochabend. Dadurch sind natürlich auch nicht so viele Autos vor uns, die die Fahrspuren verbreitert hätten. Erst nach hundert Kilometern, als wir die A6 bei Kaiserslautern erreichen, geht es besser. Da ist die Straße zwar nicht schneefrei, aber die Auflage deutlich dünner.

Kurz vor Mitternacht erreichen wir die Heimat und stehen vor der letzten, schier unüberwindlichen Hürde. Etwa 500 Meter vor unserem Zuhause müssen wir eine nicht befahrene Nebenstraße hinauf und bleiben stecken. Es geht weder vorwärts noch rückwärts. Mit vereinten Kräften – Thomas und Erika schieben das Auto mal vorne, mal hinten an, ich halte mich am Lenkrad fest – bringen wir die Karre wieder ins Laufen, ich rolle rückwärts den Berg hinunter und wir versuchen es auf dem zweiten möglichen Weg, der schließlich auch gelingt. Ich verfrachte die Freunde nach Hause und rolle die letzten Meter hinunter und bleibe exakt in meiner Garageneinfahrt zum letzten Mal in dieser Nacht stecken. Das Heck ragt gerade eben nicht auf die Straße. Ich stapfe mit meinen sommerlichen Sandalen durch den Schnee und schippe mein Auto am nächsten Tag wieder frei.

Ein Urlaub im sommerlichen Tropenparadies Costa Rica endet nach drei erlebnisreichen Wochen im Schneechaos – pura Vida !


Urlaub zwischen pazifischem Sonnenbrand und deutschem Schneechaos

Erinnerungen

an Costa Rica

Bilder und Reisebericht

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