Nacht über dem Atlantik

Der Rückflug erfolgt etwa um 20 Uhr Ortszeit. Es ist seit zwei Stunden dunkel. Ich habe dem Angebot einer jungen, hübschen Französin, die seltsamerweise lieber ihren Freund neben sich gehabt hätte, erfolgreich widerstanden und meinen Fensterplatz verteidigt. So kann ich auf das gelbe Lichtermeer des Zentraltals hinunterschauen, über dem wir eine gefühlte 500-Grad-Wende drehen. Ein beeindruckender Anblick, auch wenn ich bei Tageslicht lieber noch einmal nach den dicht gedrängten Vulkanen in der Umgebung, allen voran dem Irazú und dem Poás gefahndet hätte. Die hübsche Französin hat sich inzwischen anderswo an ihren Freund gekuschelt, dafür hat sich ein rotzlöffeliger Jungspund in meinen Nachbarsitz gefläzt. Ok, schau ich eben weiter aus dem Fenster raus … bis die Stewardess schon wenig später darauf besteht, dass der Rolladen heruntergelassen wird. Es ist Schlafenszeit – soweit das in der Zwangshaltung eines Sitzplatzes in der Touristenklasse überhaupt geht.

Meine Uhr stelle ich schon mal auf drei Uhr am nächsten Tag, obwohl es hierzulande erst acht ist. Rechts aus dem Fenster ist der Sirius zu sehen, darüber der Orion. Viel mehr gibt das schmale Bullauge nicht her. Später, gegen Morgen, erscheint ein sehr helles Gestirn, es kann sich nur um Jupiter, Saturn oder Venus handeln. Ich bin mir nicht mehr sicher. Ohne größere Himmelsansicht bin ich überfragt.

Ich sitze günstig an der rechten Flugzeugseite, um meinen ersten Sonnenaufgang über den Wolken zu erleben. Irgendwann erscheint in der Schwärze der Nacht ein leicht gebogenes helles Band. Ein Horizont entsteht. Ich rechne damit, dass jetzt alles ganz schnell geht. Aber es dauert seine Zeit, bis das Band breiter wird. Allmählich erscheint ein Regenbogenmuster, das von orange über gelb und grün hin zu blau reicht. Das Band wird von Minute zu Minute breiter und die Farben detailreicher. Von der Sonne ist noch nichts zu ahnen. Der Zackenrand der Wolken, die die Erde vom Himmel trennen, wird allmählich kurvenreicher. Irgendwo fließt das Licht über die Wolken hinweg, wie Wasser in eine kleine Bucht. In der schwarzen Fläche der dichten Wolkendecke entstehen Grautöne an den östlich gewandten Seiten der Türme. Immer noch keine Sonne. Da plötzlich ein heller, klar abgegrenzter Strahl. Gleich darauf ein ganzer Strahlenkranz, der von einem gleißend hellen Oval über dem Horizont ausgeht. Jetzt taucht die Sonne innerhalb von ein, zwei Minuten aus dem Nichts auf, plattgedrückt wie bei einem Sonnenaufgang über dem Meer und so hell, dass sie ohne Schutzbrille nur unmittelbar am Rand des Bullauges beobachtet werden kann, wo ein Teil des von ihr ausgehenden Lichts abgeschirmt ist.

In Madrid ist von Schnee nichts zu sehen. Es kann also nicht das vermutete Schneechaos gewesen sein, das in letzten Tagen für einen Streik der Fluglotsen gesorgt hat. Von den Menschenmassen, die in den Flugzeughallen auf ihre Reise warten mussten, ist ebenfalls nichts zu sehen. Im Gegenteil, das Flughafengebäude wirkt ziemlich menschenleer, was uns durchaus nicht unangenehm ist. Der Madrider Flughafen ist beeindruckend groß, größer noch als der in Frankfurt. Mit der U-Bahn fahren wir von der Ankunftshalle in die Zentrale, wo wir die Wartezeit bis zum Anschluss nach Frankfurt im Spezialitätenlokal (Costaricaner sagen dazu „restaurante tipico“) McDonalds verbringen und versuchen, die Rabattmärkchen zu sammeln, die uns tolle Gewinne, etwa einen Doppelwhopper (oder ist das von der Konkurrenz?) zu verschaffen.

In Frankfurt angekommen stehen wir erst einmal auf dem Parkplatz und können die Maschine eine halbe Stunde lang nicht verlassen, weil die Gangway vereist ist. Durch die Fenster war bei der Landung schon zu sehen, dass es dicke Flocken schneit und überall fleißige Helfer versuchen, die Flugzeuge eisfrei zu bekommen. Ich wundere mich, dass man bei verschneiter Piste überhaupt landen kann. Man kann offensichtlich. Später erfahren wir, dass es vor zwei Stunden heftig zu schneien angefangen hat und wir ahnen, dass wir Glück hatten, überhaupt noch landen zu können, denn ein Ende des Schneefalls ist nicht in Sicht.


32 Stunden vom Pazifik bis nach Hause

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an Costa Rica

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