San Gerardo de Dota

Wir halten Mittagsrast in einer Fernfahrerkneipe, die ziemlich ursprünglich wirkt. Es gibt eine Reihe von Gerichten aus dem Kantinenbüffet, die billig sind, dafür überdurchschnittlich groß. Der Café con leche braucht ungefähr drei Sekunden, bis er vor mir auf dem Tresen steht. In dem Lokal ist es zugig und kalt, die Einrichtung hat den Charme der 60er Jahre und um uns herum sitzen Pause machende Mittelamerikaner auf dem Weg von A nach B, sagen wir von Vancouver nach Santiago de Chile.

Heute kriegen wir die dritte Dimension Costa Ricas gezeigt, denn kaum sind wir wieder auf dem Höhenzug der Cordilleren angekommen, geht es auch schon wieder hinunter in ein Seitental, wo wir in San Gerardo de Dota unsere nächste Unterkunft ansteuern. Auf weniger als zehn Kilometern geht es tausend Höhenmeter hinunter.

Ziel dieser Etappe ist die Suche nach dem Quetzal, dem legendären Göttervogel, mit dessen Schwanzfedern sich mittelamerikanische Potentaten früherer Zeitalter geschmückt haben. Schon während der Abfahrt halten wir nach ihm Ausschau, denn hier im Wald kommt er rund 300 mal vor, öfter als sonst irgendwo. Der Göttervogel hat mit Schwanzfedern zusammen eine Länge von satt über einem Meter. Ein guter Grund also, die Höhen und Tiefen des Landes in rascher Folge zu durchqueren. Die letzten sechs Kilometer will Frank mit uns laufen, aber wegen des Regens ist den meisten der Spaß vergangen. Die Hosen sind nach dem Regen am Volcan Irazú längst noch nicht durchgetrocknet. Trotzdem finden sich ein paar verwegene Wanderer, die den Marsch die steile Straße hinunter mitmachen. Wir anderen sehen natürlich aus dem fahrenden Bus heraus keinen Quetzal, wiewohl wir in den letzten zwei Wochen schon gelernt haben, dass es ungemein schwierig ist, in der Mannigfaltigkeit der natürlichen Farben und Formen überhaupt etwas Bestimmtes zu entdecken. Noch schwerer machen es einem die Vögel, die sich mit Vorliebe in schattigen Baumkronen aufhalten, wo sich schrille Farben in Grautöne verwandeln.

Unsere Unterkunft, das Hotel Savegre, liegt in einem verwunschenen Flusstal, das sehr tief in das Gebirge eingegraben ist. Es ist eine schmucke Anlage mit Häuschen für je vier Habitaciones, wo die Kolibris direkt vor der Haustür den Nektar aus den Blüten saugen. Das Zentralgebäude mit „Bar, Coffee & Lounge“ und Rezeption liegt oberhalb des Flusses und ist sehr schick angelegt. In Sachen Wohnungen sind wir besseres gewohnt, aber es ist völlig ausreichend und bei einer Höhe von über 2.000 Metern und der deutlichen Kühle auch insektenfrei. Nach den Nässeerlebnissen des Tages verbringen einige von uns den Nachmittag in der Sauna und auf der Massagebank.

Ich wähle Arbeit statt Wellness, bringe meine magere Fotoausbeute dieses Tages von der Kamera zum Computer, hänge meine nassen Kleider in die Nähe eines kleinen Heizgerätes, das immer nur ein paar Sekunden Hitze absondert, bevor es in stets gleichem Rhythmus in einen minutenlangen Ruhezustand fällt, um daraus wieder für ein paar Sekunden zu erwachen. Derweil philosophiere ich über die verschiedenen Unterkünfte, die wir bei dieser Reise bereits erlebt haben. Unsere Zimmer, oder besser Habitaciones, haben überwiegend eine sehr gute Qualität, was sich vor allem in den an Tanzsäle erinnernden Duschkabinen zeigt. Aber irgendetwas fehlt in den Wohnungen immer. Mal sind es Stühle, mal ein Tisch, Handtuchhalter am Waschbecken, Steckdosen an den richtigen Stellen oder eine Kleiderstange zum Aufhängen der verregneten oder durchgeschwitzten Kleider.

Für alle Zweifler sei versichert, dass europäische Standards in den Hotels gut umgesetzt sind, wenn man einmal von der ungewöhnlichen Sitte absieht, benutztes Toilettenpapier nicht in die Schüssel, sondern einen daneben abgestellten Behälter zu werfen. Eine Besonderheit von Savegre ist die blütenreiche Gartenanlage, die nicht nur Touristen, sondern auch viele Vögel anlockt. Leider ist bis jetzt kein Quetzal darunter.


Reise in die dritte Dimension von Costa Rica

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