Zischender Dampf und heißer Schlamm

Das Motto unseres Reiseveranstalters hätte mich warnen sollen. „Sprühendes Feuer“ stand dick als Überschrift über der Reisebeschreibung im Katalog. Jetzt stehe ich am Rand des Kraters und beobachte unten die wabernde Bewegung in der roten Glut. Seit ein paar Stunden grummelt die Erde unter meinen Füßen. Die Vibrationen sind durch die dicken Sohlen meiner Schuhe genau zu spüren und sie verkünden Unheil. Ausgerechnet heute erwacht der Berg nach Jahrzehnten der Ruhe. Dabei gehören die Vulkane Costa Ricas nicht zu den gemütlichen, die kontinuierlich ihre flüssige Lava verströmen. Da brauchte man nur einen erhöhten Punkt zu suchen und wäre der Gefahr entronnen. Nein, hier ist eher mit Lavabomben und heißer Asche zu rechnen. Sprühendes Feuer eben. Rettung ist da nur möglich für einen, der seine Seele den Mächten des Guten verpfändet hat. Und in dieser Frage bin ich mir meiner Sache nicht sicher. Der Schweiß tropft von meiner Stirn, ich weiß nicht, ob von der Erwartung des Unvermeidlichen oder von dem Höllenfeuer, das unter mir ausgebrochen ist …

Nachdem ich die Schweißperlen von der Stirn gewischt und die Morgentoilette erledigt habe, geht es früh zum Frühstück, das seinen Namen damit wirklich verdient. Ohnehin ist der Lebensrhythmus hier ganz anders, als ich es von zu Hause gewöhnt bin. Gleich zwei Wanderungen stehen heute auf dem Programm, die vom Besucherzentrum des Nationalparks Rincón de la Vieja aus gestartet werden. Zunächst wollen wir einen Streifzug durch die vulkanische Beschaffenheit des Untergrunds machen und danach in entgegengesetzter Richtung einen Wasserfall besuchen, wo wir baden und ein erstes von drei geplanten Picknicks durchführen wollen.

In der ausklingenden Regenzeit sind Costa Ricas Wettergötter durchaus zu Variationen imstande. Es regnet nämlich nur leicht, ab und zu kann man sich im Sprühregen sogar der Illusion hingeben, dass es vielleicht noch abtrocknen könnte – bevor der nächste kräftige Schauer einen in die Wirklichkeit zurückbringt. Zunächst geht der Rundweg zu mehreren Stellen, an denen das heiße Innere der Erde in Gestalt von Fumarolen und Schlammlöchern an die Oberfläche dringt.

Frank schärft uns ein, zusammen zu bleiben und nicht vom Weg abzukommen, denn vor einiger Zeit sei eine amerikanische Studentin bei der gleichen Tour verschwunden und trotz großer Suchaktion, an der sich auch das amerikanische Militär mit Hubschraubern beteiligt habe, nicht wieder gefunden worden. Wir können uns des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass uns Frank mit dieser Geschichte Reiseführerlatein aufgetischt hat und uns nur disziplinieren will. Womit er in erster Linie die Hardcorefotografen unter uns – ich werde an dieser Stelle Persönlichkeitsrechte schützen und nicht erwähnen, dass es sich dabei um Rolf, Florenz, Joachim, Marion und mich selbst handelt – gemeint haben könnte, die regelmäßig auf der Jagd nach dem ultimativen Urlaubsfoto den Kontakt zur Spitze abreißen lassen.

Im Abstand von etwa 50 Metern dringt an zwei Stellen heißer Dampf aus der Erde und hüllt die Vegetation in der Nähe in Nebel. Die tobende Hitze in der Tiefe muss man sich vorstellen, sie ist hier draußen nicht so spektakulär zu sehen, wie das vielleicht in Yellowstone oder Island beobachtet werden kann. Es empfiehlt sich trotzdem nicht, näher hinzuzutreten, denn an der Austrittsstelle werden mehrere hundert Grad erreicht. Der Dampf stammt vom Grundwasser, das von den hohen Temperaturen darunter erhitzt wird. Es ist angereichert mit Mineralien aus dem Boden, wie an dem schwefligen Geruch in der Umgebung unschwer errochen werden kann.

Weiter geht’s über einen Bach, die Brücke ist ein Baumstamm, wie man ihn in jedem Urwaldspielfilm sieht, aber für europäische Gehgewohnheiten leicht manipuliert durch Abhobeln der obersten Rundung des Stamms. Ein Seil in Kopfhöhe dient zudem als Orientierungsschnur. Ob es mich im Falle des Falles halten würde, möchte ich bezweifeln.

Ein Seitenpfad führt zu den Schlammlöchern, aus denen es unaufhörlich blubbert. Grautöne in allen Schattierungen prägen das Bild und waagerechte Schichtlinien verdeutlichen, dass der Schlamm mal höher, mal tiefer ansteht. Auch hier ist es nicht ratsam, die Füße hineinzustecken, wenn man sie nicht durchgekocht wieder herausziehen will.


Die Erde öffnet ihre Schlündchen

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