Erster Bodenkontakt mit Amerika
Unsere Reise über Frankfurt und Madrid nach San José hat mit
Autofahrt, Einchecken, Flug, Zwischenlandung, Flug und Auschecken um ein knappes
Viertel des Erdballs etwa so lange gedauert, dass wir bei konsequenter Fortsetzung
die Reise um die Welt in 80 Tagen auf rund 80 Stunden hätten verkürzen
können. Allerdings hätten wir dabei keinen zusätzlichen Tag
gewonnen, wie das seinerzeit Phileas Fogg und seinem Faktotum Passepartout
gelungen ist, denn wir reisten ja in westlicher Richtung und überschritten
nicht die Datumsgrenze. Trotzdem gewannen wir am Reisetag sieben Stunden,
denn in Costa Rica gehen die Uhren genau so viel nach. Im Flugzeug hatte ich,
um mich von meinen eingezwängten Beinen abzulenken, genug Zeit, die Uhren
entsprechend einzustellen: Meine Armbanduhr, die mir gleichzeitig als Wecker
dienen sollte, meine GPS-Uhr, mit der ich nachträglich feststellen wollte,
wo ich überall gewesen war, meine Kamera, die akribisch notiert, wann
sie welches Motiv auf digitales Zelluloid gebannt hat und meinen Computer,
der allabendlich die tagsüber geschossenen Fotos übernehmen sollte.
Chronologisch gesehen war ich damit für die kommenden zwanzig Tage umfassend
vorbereitet. Ob das auf alle anderen Aspekte einer Fernreise in unbekanntes
Terrain zutreffen würde, stand da noch längst nicht fest.
Immerhin stehe ich jetzt erstmals in meinem Leben auf nichteuropäischem Boden (wenn man mal die Kanaren als spanische Kolonie in afrikanischen Breiten zu Europa zählt) und habe meiner Vita ein nicht unwesentliches Detail hinzugefügt.
Nachdem ich den Zöllner mit frischem Obst aus meinem Handgepäck
versorgt (genauer: als der es einkassiert hat) und den Koffer abgeholt habe,
treffen wir uns vor der Flughafenhalle. Als Erkennungsmerkmal haben wir einen
Kofferaufkleber erhalten, der mit „Tierra Verde“ und „Bienvenido
a Costa Rica“ beschriftet ist. Aus dem Kleingedruckten geht zudem hervor,
dass ich eine „very important person“ für den Tourismus in
diesem Land sei. Das ist ja schon sehr vielversprechend.
Insgesamt achtzehn very important persons versammeln sich bei einem Mann,
der sich ebenfalls zu Tierra Verde – wie sich herausstellt, heißt
so das Reiseunternehmen, das die Rundfahrt vor Ort organisiert und betreut
– bekennt und sich durch Physiognomie und Gestik als hiesiger Reiseleiter
qualifiziert. Er stellt sich mit seinem Vornamen vor und gibt damit schon
vor, dass es in den nächsten drei Wochen für uns keine Nachnamen
geben wird. Sein Name ist Francisco, er bittet aber darum, Frank genannt zu
werden. Ob das ein Zugeständnis an unsere an das Deutsche angepassten
Ohren ist oder er dafür andere Gründe hat, ist nicht zu erkennen.
Jedenfalls setzt sich die Anrede „Frank“ schnell durch, was auch
daran liegen kann, dass eine Teilnehmerin ihn zunächst mit „Frandschäsko“
(gesprochen: Francesco), der italienischen Variante des gleichen, immerhin
auf einen Italiener, nämlich Frandschäsko von Assisi, zurück
gehenden Namens, anspricht. Frank ist aber nicht nur tolerant, zum Beispiel
in Bezug auf die Aussprache seines Namens, sondern auch in mannigfacher anderer
Hinsicht, wie sich in den nächsten Wochen nachdrücklich herausstellen
sollte.
Ein Costa Ricaner namens Frank